Ich tue mich schwer, mir eine eindeutige Meinung zu XINGs neuem Prototypen FutureMe – aktuell in den XING Beta Labs kostenfrei testbar – zu bilden.
FutureMe können Sie sich als Karriereplanung-Werkzeug vorstellen, die Ihnen anhand vieler aggregierter XING-Profildaten aufzeigt, welche Karrierewege Ihnen theoretisch offenstehen oder wie und wo Sie ein bestimmtes Karriereziel erreichen können.
Dies geschieht, indem XING über die vielen Nutzerdaten (in der DACH-Region immerhin über 7 Millionen) eruiert, über welchen “standardisierbaren” Weg die Mitglieder an ihr Ziel gekommen sind, oder vielmehr, wie sie an die aktuelle Karrierestation gelangt sind.
Das Aggregieren von (anonymisierten!) Nutzerdaten ist selbstverständlich spannend, weil es eben eine typisch menschliche Schwäche bedient: Menschen vergleichen sich mit anderen Menschen. Das weckt Begehrlichkeiten oder animiert zum Nachahmen. Damit wird gleichzeitig ein Bedürfnis geschaffen – neuer Job gefällig?
Erfolgreiche, reiche oder glückliche Menschen stehen dabei Modell für einen erstrebbaren Lebensweg, und regelmäßig stoße ich im Netz auf Artikel, welche die “Top 10 Eigenschaften” von Super-Managern, Unternehmern oder sonstigen Gurus aufzeigen. Es gibt sogar eine eigene Wissenschaft, die sich mit solchen “self-push & brainwash” Methoden befasst: NLP, das neurolinguistische Programmieren. Davon kann jeder halten, was er will und anwenden, wenn er das mag (ich nicht). Imitation oder Eigenmanipulation sind kein Erfolgsrezept und jeder Mensch ist anders.
Nichtsdestotrotz habe ich FutureMe getestet und habe mir das Profil eines “Bloggers” anzeigen lassen. Folgende Beschreibung kam heraus:
Der/die typische Blogger auf XING ist zwischen 31 und 36 Jahre alt, arbeitet in der Internet-Branche und hat ein Jahresgehalt von etwa 52000 EUR. Er/sie lebt in Berlin, hat Journalismus, Wirtschaftswissenschaft oder Informatik studiert und beschreibt seine/ihre Qualifikationen mit Blog, Blogging und Social Media.
Ha, Mist, davon trifft absolut gar nichts auf mich und meinen Werdegang zu. Aber ich bin eben auch ein (un?)typischer Quereinsteiger, ätsch!
Ok, Ausnahmen bestätigen die Regel, und über mehrere Umwege habe ich mich mit Journalismus, Informatik und auch Wirtschaftswissenschaften beschäftigt. Dass es in Berlin verhältnismäßig viele Blogger gibt, ist ebenfalls nachzuvollziehen bei der Agentur-StartUp-Menschendichte. Hamburg steht dabei übrigens an zweiter Stelle.
Was ich damit verdeutlichen möchte ist, dass es vielleicht einen “typisierbaren” Karriereweg für bestimmte Kandidaten geben kann.
Dass mir aber eine Maschine mit einem theoretisch manipulierbaren – das haben wir ja eben erst bei Facebook’s Studie mit den manipulierten Newsfeeds gesehen – Algorithmus Ideen gibt, wie und wo ich am ehesten zu einem mir – auf von Mitgliedern selbst angelegten Daten basierenden – vorgeschlagenen Karriereziel komme, gefällt mir nicht.
XING wird mit unseren Daten sensibel und datenschutzkonform umgehen, das steht außer Frage – eher noch als Facebook jedenfalls.
FAZIT:
Karrierepfade, Ziele und Berufsorientierung für potenzielle neue Mitarbeiter über FutureMe anzuzeigen und zu generieren, sind ja sowieso nur die Spitze des Eisbergs dessen, was XING mit seinem Prototypen zukünftig vorhat. Auf jeden Fall gehe ich davon aus, dass hinter dem spielerisch angekündigten FutureMe eine ganz andere Idee steckt (und ich glaube, dass Jo Diercks das Ähnliches vermutet). Es sind sogar verschiedene Spielarten denkbar, die für XING auf Dauer Umsatz generieren könnten – denn schließlich geht es doch genau darum, wenn wir mal ganz ehrlich sind.
Das Lustige dabei ist, dass genau so ein weitergedachter Algorithmus bereits existiert (bestimmt sogar mehrfach) und seit einigen Monaten getestet und angewendet wird. Könnte interessant werden.
Weitere Beiträge und ausführliche Beschreibungen des Prototypen gibt es auch bei Lars Hahn (mit ein paar kritischen Anmerkungen) und Joachim Rumohr. Auch bei netzwertig gibt’s ein paar Schmankerl dazu.
Von Riesen-Innovation würde ich hier aber nicht sprechen.
Übrigens: Schon dieses FutureMe gesehen?
Mit halb-philosphischen Grüßen aus Strasbourg!